Die frisch ordinierte Pfarrerin Annika Kringel.

Die frisch ordinierte Pfarrerin Annika Kringel.

Bild: ELKB

Neu im Dienst

„Ich habe Lust, Kirche bunt zu machen"

Pfarrerstochter Annika Kringel wollte nie in die beruflichen Fußstapfen ihrer Eltern treten. Jetzt ist die 28-Jährige im unterfränkischen Karlstadt ordiniert worden.

Einseitig abrasierte Haare und Nasenpiercing: Annika Kringel entspricht nicht unbedingt dem klassischen Bild einer Pfarrerin. „Ich bin trotzdem eine“, sagt die 28-Jährige und lacht. Und zwar eine, die „richtig Lust hat, Kirche bunt zu machen“ - ohne dabei die Traditionen zu vernachlässigen.

Seit dem 1. März arbeitet Annika Kringel als zweite Pfarrerin in der Pfarrei Main-Werntal in Karlstadt (bei Würzburg). Es ist ihre erste Anstellung nach dem Vikariat in Höchberg: Erst Mitte März ist die junge Frau ordiniert worden. Absehbar war dieser Berufsweg nicht. Zwar verdienen beide Elternteile ihren Lebensunterhalt als Pfarrer. Vor allem in der Pubertät aber verkündete Annika Kringel: „Auf keinen Fall werde ich Pfarrerin.“ Etwas Sinnvolles sollte es sein, das mit Menschen zu tun hat – und so studierte sie nach dem Abitur und dem Bundesfreiwilligendienst eben doch Theologie in Neuendettelsau und Heidelberg.

Das Angebot, zu promovieren, lehnte Annika Kringel dankend ab. Sie wollte die Theorie hinter sich lassen und endlich in der Praxis Menschen für ihren Glauben begeistern. „Ich erlebe viele Leute als sinnsuchend“, so Kringel. Ihnen will sie zeigen: Auch, wenn die Kirche ein bisschen verstaubt ist, hat sie gute Antworten auf diese Sinnfragen.“

Ihre vielen Hobbys gepaart mit ihrer offenen, fröhlichen Art ermöglichen es Annika Kringel, Menschen für kirchliche Themen und Inhalte zu interessieren, die damit eigentlich nichts anfangen können. „Tatsächlich rede ich am meisten über Gott und meinen Glauben in meiner Freizeit, nicht in der Kirche.“ Egal ob beim Kneipenbesuch abends in Würzburg, beim Poetry Slam oder auf dem Fußballplatz: Sobald herauskommt, dass „Änni“, wie ihre Freunde sie nennen, als Pfarrerin arbeitet, gibt es erstmal kein anderes Gesprächsthema mehr. „Ich erlebe viel Neugier auf Kirche.“

Getreu ihrem Motto: „Wenn die Menschen nicht in die Kirche kommen, muss die Kirche zu den Menschen kommen“ ist die gebürtige Mannheimerin auch in den sozialen Medien aktiv. Auf Instagram etwa können die 606 Follower von @pfarnikariat die frisch ordinierte Pfarrerin durch ihren Alltag begleiten, sich von ihrer ungewöhnlich schönen Singstimme überzeugen oder mit Fragen und Sorgen zu ihr kommen.

Eines der wichtigsten Themen der Posts: die Vielfalt. Egal ob sexuelle Orientierung, Barrierefreiheit oder Inklusion: Annika Kringel setzt sich für Toleranz und Respekt ein. „Ich will nicht in einer Kirche arbeiten, in der Menschen durch Strukturen ausgegrenzt werden.“ Deshalb unterstützt sie queere Partnerschaften und findet es schwierig, dass Vieles am Geschlecht festgemacht wird. Sie selbst hat zur Ordination zum Beispiel viele Blumen geschenkt bekommen. Darüber freut sie sich, fragt aber auch mit einem Augenzwinkern: „Was bekommen eigentlich Männer zur Ordination? Bier?“

Trotz vieler moderner Ansichten: „Traditionelles ist mir wichtig!“ Deshalb singt Annika Kringel das Abendmahl. Deshalb würde sie einen Kneipengottesdienst nur machen, wenn ihre Gemeinde und der Kirchenvorstand so ein Angebot mittragen würden. „Ich will schauen, was den Menschen dient, ohne die christlichen Glaubensinhalte aus dem Blick zu verlieren.“

100 Tage gibt sich Annika Kringel jetzt erst einmal Zeit, um ihre neue Gemeinde kennen zu lernen und anzukommen. Mit ihrer Rolle als „die Neue“ hat Annika Kringel kein Problem. Bedingt durch

den Beruf und die Abenteuerlust ihrer Eltern zog die Familie früher oft um. „Dadurch habe ich gelernt, auf Menschen zu zugehen.“

Auf lange Sicht will Annika Kringel die Ausbildung zur Notfallseelsorgerin machen. „In Krisensituationen bleibe ich erstaunlich ruhig. Diese Gabe von Gott möchte ich nutzen, um anderen in den schwersten Stunden ihres Lebens zu helfen.“ Überhaupt ist die Seelsorge eine Herzensangelegenheit für die junge Pfarrerin. „Das Schönste an meinem Beruf sind die menschlichen Begegnungen. Und das Gefühl, ich mache einen Unterschied. Einfach, indem ich da bin und zuhöre“

09.04.2024
Silke Scheder