Posaunenchor der Gemeinde Schönberg

Posaunenchor der Gemeinde Schönberg

Bild: Bayern Evangelisch

Eine Landgemeinde wächst – ganz gegen den Trend

Hier bleibt die Kirche im Dorf

„Jetzt ziehe ich meinen Talar an und wir zählen gemeinsam, ob noch alle Knöpfe dran sind!“ Gespannt verfolgen vierzig Augenpaare, wie Gabriele Geyer ihre schwarze Amtstracht überstreift.

„Eins, zwei, drei“, schallt es ihr im Sekundentakt von allen vier Wänden des Kinderhauses „Krempoli“ entgegen, als sie das Gewand langsam Knopf für Knopf schließt. Dicht an dicht hocken die Drei- bis Sechsjährigen auf den Sitzbänken. Bei acht hören alle auf zu zählen. „Und was fehlt nun noch?“ Nur kurz bleibt die Frage der Pfarrerin im Raum stehen. „Der Schal“, echot es. „Nein, heute habe ich mein weißes Beffchen dabei.“

Gerade einmal 1.400 Einwohner zählt das rund dreißig Kilometer nordöstlich von Nürnberg gelegene  Dorf Schönberg am Fuße des Moritzberges. Hinter der durch einen Wald verlaufenden Zufahrtsstraße fällt sogleich die festungsartig auf einer Anhöhe thronende Jakobuskirche ins Auge. An drei Seiten umlagern Neubaubezirke den alten Siedlungskern aus Sandstein und Fachwerk, der sich seinerseits wie ein Ring um den mächtigen, neugotischen Gottesbau schließt.

„Einkaufen – Ratschen – Pause machen“, prangt auf dem Schild über der Eingangstür des ehemaligen Postgebäudes. Versteckt sich hier – am dörflichen Drehkreuz – womöglich ein Hinweis auf die wachsenden Mitgliedszahlen der Kirchengemeinde?

„Sechs Weckerle bitte!“ Daniela Röcklingshöfer-Müller weist auf die kleinen Brötchen in der Auslage, hinter ihr reihen sich drei weitere Kunden ein. Der vor zwei Jahren auf genossenschaftlicher Grundlage gegründete Dorfladen hat sich als Mixtur aus Supermarkt, Café und Begegnungsstätte etabliert. Vor ihrer Probe möchte die Opernsängerin mit ihrer Familie zusammen frühstücken, fast täglich führt sie ihr Weg hierher: „Ich finde, dass wir Schönberger eine gewisse Verantwortung haben, den Dorfladen am Leben zu erhalten.“ Der Gedanke ans Gemeinwohl scheint in den Köpfen der Dorfbewohner tief verwurzelt zu sein.

Diese Art, auf Leute zuzugehen, sich ein Quäntchen mehr Zeit zu nehmen als notwendig, das ist auch das, was die Menschen an der Gemeinde begeistert und sie antreibt, ehrenamtlich mitzuwirken“

Norbert Dünkel

Ehrensache Ehrenamt

Als Gabriele und Thomas Geyer 2002 hier ihr Pfarramt antraten, zählte der Standort rund neunhundert Mitglieder. Heute sind es über tausend. 129 Wechsel zugunsten der Schönberger Gemeinde hat es bislang gegeben, darunter viele junge Familien aus der Nachbargemeinde mit Bezug zum Kindergarten. „Ich kannte Schönberg gar nicht“, gibt der in Bamberg aufgewachsene Pfarrer zu. „Wir wollten eine überschaubare Gemeinde, wo man die Chance hat, die Mitglieder noch persönlich kennen zu lernen. In unserer ersten Station in Erlangen gab es fünftausend, auf drei Pfarrstellen verteilt, da tauchten viele unter.“ Zunächst hätte er mit seiner Frau die Prägungen, Traditionen und dörflichen Strukturen aufgespürt. „Dabei haben wir schnell festgestellt, dass die Gemeinde sehr stark von dem lebt, was Ehrenamtliche leisten.“ Geyers selbst teilen sich eine Pfarrstelle, dazu unterrichtet Michael Geyer mit einer halben Stelle als Religionslehrer an einem Gymnasium und einer Grundschule. Ihr Pfarramt wiederum ist zu einem Viertel ausgefüllt mit dem Seelsorgeauftrag für die in Schönberg ansässige „Lebenshilfe Nürnberger Land“, dem mit achthundert Arbeitsplätzen größten Arbeitgeber in der Region. „Diese Art, auf Leute zuzugehen, sich ein Quäntchen mehr Zeit zu nehmen als notwendig, das ist auch das, was die Menschen an der Gemeinde begeistert und sie antreibt, ehrenamtlich mitzuwirken“, ist Lebenshilfe-Geschäftsführer Norbert Dünkel überzeugt.

Engagement als Lebensbereicherung

„Ich fühlte mich in meiner Kirchengemeinde ein wenig am Rande stehend“, gesteht Karin Eismann, die seit über fünfzig Jahren im sechs Kilometer entfernten Rückersdorf lebt. Sie ist gerade auf dem Weg in den Kirchgarten, wo Kaffee und Kuchen auf die 22 „Gemeindehelferinnen“ warten, die in ihren Wohngegenden den umfänglichen Gemeindebrief „Das Kirchblättla“ verteilen und Spenden sammeln. „Vor sieben, acht Jahren habe ich die Pfarrerin auf einer Seniorenfahrt nach Bamberg kennen gelernt“, erinnert sich die agile Achtzigjährige, in der Pegnitzer Zeitung habe sie von dem Ausflug erfahren. „Später bekam ich einen Flyer der Nachbarschaftshilfe, einer Gruppe von Leuten aus der Gemeinde, die einsame, alte und kranke Menschen besucht und ihnen ein wenig Zuwendung schenkt.“ Lange überlegen musste sie nicht. „Nur zuhause bleiben liegt mir nicht. Dass ich noch gebraucht werde, ist positiv ist für mein Seelenheil!“

Nur zuhause bleiben liegt mir nicht. Dass ich noch gebraucht werde, ist positiv ist für mein Seelenheil!“

Karin Eismann

Ob Wichtel- oder Kindergottesdienst, Jugend-, Frauen- oder Seniorenkreis, der derzeit 42-köpfige, generationenübergreifende Posaunenchor mit rund 130 Auftritten im Jahr; ob Osterfrühstück, Adventscafé, Erst- und Jubiläums-Konfirmationsfeste, das Kirchgartenfest, Kindermusicals oder Bauvorhaben: Gabriele und Thomas Geyer haben in Schönberg richtig Gas gegeben. Die Betreuung der Mitarbeiter stelle einen entscheidenden Baustein in ihrem Amt dar, erläutert Gabriele Geyer: „Wir besuchen alle Älteren ab siebzig und alle Mitarbeitenden zum Geburtstag. Das wird mit der Zeit natürlich ein bisschen viel, aber durch diese Kontakte habe ich auch viele Gaben entdecken können. Von einer Dame erfuhr ich etwa, dass sie Gymnastikkurse anbietet, und daraufhin habe ich sie gefragt, ob sie das im Gemeindehaus auch mal durchführen könne. Und seither gibt es das.“ Mit offenen Augen durch die Gemeinde zu gehen, Einzelne bei ihren Fertigkeiten abzuholen und mitgestalten zu lassen – das sei eben unerlässlich.

Schönberg

Die Kirchengemeinde in Schönberg ist eine ganz normale Gemeinde – allerdings mit Pfiff. Besucherinnen und Besucher sind jederzeit willkommen, über die aktuellen Gottesdienst-Termine informiert das Gemeindesekretariat, wo es auch Informationen zu allen Veranstaltungen gibt. Eine eigene Webseite ist noch in Vorbereitung.

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Geben und Nehmen – Hilfe in der Not

Wie stark die Dörfler mit ihrer Gemeinde und den Geyers verbunden sind, beweist das Mammutprojekt ihrer bisherigen Amtszeit: die Sanierung des Pfarrhauses aufgrund einer extremen Schadstoffbelastung. „Von heute auf morgen kam der Auszugsbefehl, es war kurz vor Weihnachten“, erinnert sich Michael Geyer an den Startschuss zu den Renovierungsarbeiten, die wegen stets neu auftauchender baulicher Mängel nicht enden wollten. „Hilfe kam von überallher. Menschen, die nicht in der Kirche sind, haben uns vorgeschlagen, ihr Haus mit uns zu teilen.“ Viele brachten sich ein, tatkräftig und finanziell. „Die letzten fünf Jahre haben uns viel Kraft und Gesundheit gekostet“, bilanziert Gabriele Geyer. „Alles im Haus musste gereinigt werden, zum Teil waren zwanzig Ehrenamtliche gleichzeitig am Werk. Unsere Wäsche war überall im Dorf verteilt.“ Erst im Frühjahr kehrten die Geyers mit ihren vier Kindern endgültig ins Pfarrhaus zurück. „Wir werden wohl als Baupfarrer in die Geschichte Schönbergs eingehen“, scherzt Michael Geyer und spielt damit auch auf die anderen dank ehrenamtlicher Kräfte gemeisterten Großprojekte an: die Neugestaltung des vordem verwilderten Kirchgartens, die Anlage eines Urnenhains, dazu die umfängliche Restaurierung des „Hungerturms“, eines Überbleibsels des ehemaligen Markgrafenschlosses.

„Ein Prost, mit harmonischem Klange“, dröhnt es stimmgewaltig durch die winzige Stube. Wie an jedem zweiten Freitagabend im Monat stimmen die zwölf Mitglieder der Handwerkergruppe ihr rituelles Eingangslied an. Alle sind über siebzig und können auf viele Arbeitsdienste zugunsten der Gemeinde zurückblicken. Auf das wunderschön hergerichtete Turmstübchen sind sie dabei besonders stolz. „Danke für euren Einsatz heute früh auf dem Friedhof“, richtet sich Gabriele Geyer an die Männerrunde. „Ich eröffne nun die gemeinsame Brotzeit und würde zuvor gerne ein kurzes Dankgebet sprechen.“ Eigentlich hätten im Turm, der als Geräteschuppen dient, lediglich neue Fensterläden eingebaut werden sollen. „So lautete der Beschluss des Kirchenvorstands“, erklärt Gabriele Geyer und fügt augenzwinkernd hinzu: „Aber unsere Handwerker haben sich damit nicht zufrieden gegeben.“


Menno van Riesen / ELKB Jahresbericht