Zu Gast beim Kindergottesdienst Der Johanneskirche in München-Haidhausen. Ein Film von Axel Mölkner-Kappl
Kirche mit Kindern
Hier feiern die Kleinsten
Einmal im Monat ist in der Freisinger Christi-Himmelfahrtskirche ein besonderer Geist zu spüren: Kinder rennen durch die Bankreihen, am Eingang stehen Jugendliche, die die Kleinen begrüßen und sie einladen. Manche Familie stolpern gerade so zu Beginn des Gottesdienstes herein – etwas bunter, chaotischer und fröhlicher geht es zu – es ist Kindergottesdiensttag.
Dass Kinder und Erwachsene im Gottesdienst gemeinsam anfangen– das ist Dekan Jochen Hauer wichtig. Er begrüßt zu Beginn besonders die Kinder und verabschiedet sie nach dem ersten Lied in ihren Gottesdienst. Heute darf Fabian die Kindergottesdienstkerze tragen – er nimmt mit großem Ernst die Flamme der Osterkerze entgegen. „Nehmt das Licht von unserer Christuskerze“, sagt der Dekan. "Christus begleite Euch in Euren Gottesdienst." Ein langer fröhlicher Zug aus Eltern, Konfirmanden, Jungen und Mädchen setzt sich in Bewegung. Im Gemeindehaus feiern sie dann ihren Gottesdienst. Mit einer eigenen Liturgie, mit Bewegung, Basteln, Spiel und viel Gesang.
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Freude an der Vorbereitung
Zwischen 10 und 20 Mädchen und Jungen besuchen im Durchschnitt den Gottesdienst, meint Wolfgang Castell. Der Mathematiker und Vater dreier Kinder ist seit acht Jahren im Kindergottesdienstteam der Gemeinde, das sich regelmäßig zur Vorbereitung trifft. Die Begegnung mit den Jüngsten, das Eingehen auf ihre Bedürfnisse und das musizieren mit ihnen, aber auch das fundierte theologische Gespräch im Mitarbeiterkreis machen ihm dabei besonders Freude. Ihm liegt viel daran, dass auch immer wieder Konfirmandinnen und Konfirmanden zum Team stoßen. „Sie sind näher an den Kindern und wachsen so wie selbstverständlich in die Mitarbeit der Gemeinde hinein.“
Der große Stamm an ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist für Susanne Haeßler, Pfarrerin für Kindergottesdienst und Referentin für Kirche mit Kindern im Amt für Gemeindedienst, eine der großen Stärken der Kinderkirche. Mehr als 7.000 überwiegend ehrenamtliche „Teamer“ gestalten in Bayern die Kinderkirche in ihren Gemeinden – und da sind die Mitarbeitenden in Krabbel- und Kleinkindergottesdiensten noch nicht einmal eingeschlossen. „Hier nimmt das Priestertum aller Getauften wirklich Gestalt an“, so Haeßler. Das führe dazu, dass die elementaren Formen der Liturgie und die kindgemäße Verkündigung auch Erwachsene ansprächen, für die der normale Erwachsenengottesdienst fremd ist. „Wir erleben, dass die Eltern mit ihrer eigenen spirituellen Suche sich im Kindergottesdienst oft gut aufgehoben fühlen.“
Kirche mit Kindern
Bild: www.kirche-mit-kindern.de
Der Landesverband für Evang. Kindergottesdienste in Bayern fördert Gottesdienste mit Kindern. Er bietet Materialen, Fortbildungen und Beratung für jegliches Format – von der Kinderbibelwoche bis hin zum Krabbelgottesdienst.
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Die kreativen Formen der Liturgie und die elementare Verkündigung sprächen auch Erwachsene an, für die der normale Erwachsenengottesdienst fremd sei, so Haeßler. Denn hier werde ganzheitlich gefeiert: „Da kann ich einen Stein zum Kreuz legen als Zeichen für etwas, das mich bedrückt und eine bunte Feder für etwas, das mich freut.Den Segen erleben wir mit Bewegungen oder er wandert von Hand zu Hand im Kreis. Das ist Gottesdienst zum Mitmachen, berührend für Kinder und Eltern."
Haeßler freut sich, dass inzwischen so viele kleine Kinder zusammen mit ihren Eltern Kindergottesdienste erleben. "Trotzdem dürfen wir die größeren Kinder nicht aus dem Blick verlieren.“ Dort, wo der Kindergottesdienst sich ausschließlich auf die Jüngsten einstelle, blieben die älteren Grundschulkinder rasch weg. Für sie seien „elternfreie Räume“ zum Gespräch, zum Spielen und kreativen Vertiefen wichtig. „Hier ist KidsGo ein tolles Angebot für die Großen!“
Anderseits liegen Gottesdienste, die die ganze Familie ansprechen, im Trend. Denn die Zeit, die Eltern zusammen mit ihren Kindern verbringen, ist so kurz und wertvoll geworden, dass Kirche zum Ereignis für die ganze Familie werden muss, um in der Wochenendplanung zwischen dem gemütlichen Familienfrühstück, der Sendung mit der Maus oder Sportveranstaltungen einen Platz zu finden. Daher seien Gottesdienstformen, die Kinder und Eltern gemeinsam ansprechen, zukunftsweisend.
Neue Wege
Die knappen Zeitressourcen von Familien bekam auch die Gemeinde in Untersiemau bei Coburg zu spüren: Die Begeisterung für den traditionellen Kindergottesdienst parallel zum Erwachsenengottesdienst war abgeflacht und es kamen fast nur noch die Kinder der Betreuer. Aber anstelle einfach so weiterzumachen oder zu resignieren, nahmen Pfarrer Heinrich Arnold und sein Team die Herausforderung an: In einem längeren Prozess suchten sie einen neuen Weg, Kinder für den Gottesdienst zu begeistern. Und trafen eine wegweisende Entscheidung: „Wenn die Kids nicht zu uns kommen, dann gehen wir eben zu den Kids!“ Der „KiGo on Tour“ war geboren. Zukünftig sollte im Sommerhalbjahr monatlich ein Gottesdienst stattfinden, dafür zu einer familienfreundlichen Zeit und für die ganze Familie mit gemeinsamem Feiern, Erleben und Mittagessen – und so manchen verrückten Ideen, wie Eselreiten oder Keschern am Dorfweiher. Und dieser Gottesdienst sollte nicht in der Kirche stattfinden, sondern in den verschiedensten Ecken des Gemeindegebiets: Auf einem Bauernhof, im Felsenkeller, bei der Feuerwehr oder auf dem Spielplatz. Gemeinsam sollten Kinder und Eltern in der Natur erfahren dürfen: „Glauben macht Spaß, Glaube gehört zu mir, Glaube macht stark, Glaube ist verlässlich, er trägt mich und entlastet mich.“ Nach zwei Jahren ist der „KiGo on Tour“ zu einem Erfolgsmodell geworden, das regelmäßig von bis zu 30 Kindern begeistert angenommen wird: „Weiter so! Toll macht ihr das!“ oder: „Das war heute wieder ein Spaß für die ganze Familie“ sind nur zwei der zahlreichen positiven Rückmeldungen.
Dass Gemeinden sich auf neue Kindergottesdienstwege machen und eine kreative Vielfalt von Gottesdienstformen entwickeln, erlebt Susanne Haeßler in der ganzen Landeskirche: : Ob Kindergottesdienst mit Frühstück in Waldershof oder Kinderkirchmorgen am Samstag in Spardorf, ob Familienzeit mit Gott in Rückersdorf oder Abenteuerland in Kronach - überall versuchen Kirchengemeinden kreativ auf die veränderte Lebenssituation von Kindern und Familien einzugehen. Wie zum Beispiel die „Wuselkirche“ in Fürth-Stadeln, die für ihr kreatives Samstagnachmittagsprogramm einen Ehrenamtspreis der Bayerischen Landeskirche gewonnen hat. Hier erleben Kinder und Erwachsene gemeinsam eine Kreativzeit, die auf das Thema einstimmt, feiern dann einen kurzen kindgerechten Gottesdienst und haben bei einem warmen Abendessen noch viel Zeit für Gespräche und Begegnung. Die Idee dafür heißt „Messy Church“, stammt aus der anglikanischen Kirche und wird inzwischen auch bei der Tohuwabohukirche der Nürnberger Innenstadtgemeinden mit viel Schwung ausprobiert.
Wenn der Buggy in der Kirche steht
Und die Allerkleinsten? Die haben in vielen Gemeinden ihr eigenes Programm: Zwergerlkirche oder Kleine-Leute-Gottesdienst, Minikirche oder Krabbelgottesdienst – in verschiedensten Formen werden die Jüngsten an den Glauben herangeführt – und die Eltern lernen nebenbei christliche Rituale für den Alltag kennen. Und mancherorts erspart das gemeinsame Mittagessen das sonntägliche Kochen. Die Kleinen lieben ihren Gottesdienst. Und die Teamer: Die haben genauso viel Freude, wenn Sie die leuchtenden Augen der Kinder sehen.
Pfarrerin Susanne Haeßler freut sich über dieses Engagement. Sie wünscht sich, dass möglichst viele Kirchengemeinden Kindern und ihren Familien die Chance geben, den Glauben zu entdecken. „Dafür braucht es Gottesdienste, die Kinder und Eltern berühren, ihren Fragen Raum geben und die Botschaft der Bibel ins Leben holen. Es tut gut, solche Gottesdienste zu feiern: denen, die sie vorbereiten und denen die kommen.“
13.08.2021
Anne Lüters